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Weblogit | November 18, 2024

Leap Motion im Test: Minority Report Messias oder Fuchtelspielzeug?

Ein durchgeschwitzter FedEx-Bote überreichte mir vorhin einen Umschlag, darin befand sich der Karton unserer Leap Motion Einheit, die natürlich kurzerhand auf eine Probefahrt entführt wurde. Die Testumgebung lief unter Mac OS X 10.8.4, die Erwartungshaltung war entsprechend der Vorkenntisse über das Produkt und wie es funktioniert justiert.

Wieso spreche ich direkt in der Einleitung von einer Erwartungshaltung? Beim Leap Motion ist es ziemlich wichtig zu wissen, worauf man sich einlässt. Schaut man in den Tumblr oder die Foren der Herstellers, auf Blogs oder YouTube - überall finden sich lauter völlig verwirrte Kunden, die etwas ganz bestimmtes von Leap Motion erwarten. Was kann Leap Motion wirklich?

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Was ist im Lieferumfang enthalten?

Im Paket findet sich lediglich das Gerät, eine Mikro-Kurzanleitung, ein Sticker mit der URL zum Setup und Download der Treiber inklusive Software und zwei Kabel unterschiedlicher Länge. Die Beigabe des zweiten Kabels ist nett, denn damit baumelt nicht unnötig viel an Kabellänge herum, wenn man eine bestimmte Distanz zum USB-Port überbrücken muss. An der anderen Seite des Kabels findet sich ein Stecker mit USB-Micro-AB Standard, offenbar um gleichzeitig Host- und Device-Funktion beim Leap bieten zu können.

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Was kann Leap Motion nicht? Ein Firstlook auf die Möglichkeiten und Einschränkungen des gehypten Geräts.

Das lässt sich einfacher einfassen, wenn wir damit beginnen, was Leap Motion nicht ist. Es ist momentan (und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht künftig) ein universeller Mausersatz für Computer. Dies hat gleich mehrere Gründe:

  • Ergonomie, spezifischer das Gorilla-Arm-Syndrom und aphysiologische Bewegungen
  • Funktionsweise des Leap Motion mit der verbauten Sensorik
  • Limitationen des Leap Motion aufgrund der verbauten Sensorik
  • Auslegung und UI-/UX-Design von Betriebssystemen (hier ist Mac OS X stärker betroffen)

Viele mittlerweile desillusionierte Vorbesteller sind enttäuscht, wütend, traurig oder gar ausfallend geworden. Das Leap Motion ist nicht der Minority-Report-Mausersatz, den sie sich erhofft hatten. Schuld daran ist aber nicht der Hersteller, sondern vielmehr die eigene Fantasie und die fehlinterpretierte Darstellung der großen Medien, die eine eierlegende Wollmilchsau versprach. Dass man keineswegs den ganzen Tag mit einer Tiefenkamera-Gestensteuerung herumhantieren kann, dürfte doch spätestens seit Kinect klar sein, oder?

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Offenbar leider nicht. Daher hier kurz und knapp die Funktionsweise in stark vereinfachter Form: Es handelt sich um eine Tiefenkamera (genauer gesagt sogar zwei Stück) mit subtiler Beleuchtung durch drei Infrarot-LEDs mit Controller und Gehäuse. Es ist nicht revolutionär anders als das Kinect, aber der Fokus ist erheblich anders: Die Steuermechanismen konzentrieren sich auf die Finger und die Hand, statt auf den ganzen Körper. Das sensorische Feld ist erheblich kleiner. Somit steigt auch die Genauigkeit der Erkennung, die wirklich Millimeterbruchteile kleinster Fingerbewegungen erkennen kann, das tut sie auch zuverlässig. Vielleicht kommt ja irgendwann eine eigene Betriebsystemoberfläche für das Leap heraus, die sich als Ersatz eignet und nicht die Rolle des Mausersatzes aufdrückt.

Was hingegen im Marketing des Produkts nie betont wurde, aber jedem technisch versierten Kunden von vornherein klar war: Das Leap Motion hat bestimmte technische Limitationen. Zum einen gibt es besagte Einschränkungen in der Distanz, das Feld ist relativ klein und umspannt im Idealfall 150°, die praktisch geradeaus nach oben hin vom liegenden Gerät abgedeckt werden. In der Praxis sind das ungefähr 30-50 Zentimeter in alle Richtungen, je nach Genauigkeitsanforderung.

Kein Röntgenblick, kein magisches Magnetfeld, keine Zauberbohne:

Was die doppelten Kameras auch nicht können, und das ist leider viel zu wenigen Menschen klar, ist mit dem Röntgenblick durch die Hand hindurchzuschauen. Oder nah beieinander liegende Finger, die sich noch nicht berühren, auseinander zu halten.

Ein Beispiel: Ich strecke die Hand aus, spreize die Finger ab. Das Leap Motion sieht meine Hand wie eine Person, die sich auf dem Rücken liegend unter mir befindet. Solange meine Handfläche sauber nach unten zeigt, ist die Erkennung nahezu perfekt. Drehe ich nun aber meine Hand entlang der Längsachse, werden meine Finger irgendwann (90° später) vertikal gestapelt sein, als würde ich jemandem die Hand schütteln wollen. Was passiert nun mit der Erkennung meiner Finger? Rein hardwareseitig ist nur noch die Unterkante meiner Hand inklusive kleinem Finger sichtbar. Die anderen Finger werden ja verdeckt, wir erinnern uns an die Analogie zum liegenden Betrachter. Worauf kommt es jetzt an? Richtig, die Software muss für diesen Umstand kompensieren und wie bei Kinect oder gar der frühen Wii ein bisschen schummeln. Ansonsten bräuchten wir idealerweise vier gekoppelte Leap Motion in einer quadratischen Anordnung, eine Sensorkiste zum Handreinstecken sozusagen. Das ist die systeminherente Limitation, die gerne übersehen wird, oder nur mangelhaft von Betrachtern und der Presse ausformuliert wurde.

Eine ähnliche Situation entsteht, wenn meine Finger oder ein Objekt wirklich senkrecht nach unten zeigen, beispielsweise direkt auf den Sensor. Dann können die nach oben zeigenden Kameras nur die Spitze wahrnehmen und bekommen Probleme mit der Orientierung.

Weiterhin ähnlich verhält es sich mit zwei ausgestreckten Fingern, die wie auf einem Tablet intuitiv gedreht werden. Da beißt einen die Intuition genau so schnell in den Arsch, wie man sie anwendete. Denn beim Überkreuzen aus der Leap-Perspektive verdeckt der eine Finger den anderen, es kommt zu Glitches in der Erkennung. Wenn die jeweilige App dafür nicht kompensieren kann, Pech gehabt. Dahin ist die flüssige Nutzererfahrung.

Die Software muss verdammt clever sein. Die UI/UX-Designer und Entwickler müssen wirklich (!) umdenken und alles wiederholt testen.

Entwickler müssen für das Leap erheblich gewappneter und testfreudiger sein, als sie es momentan vielerorts sind. Das Leap ist kein glorifizierter Mausersatz und sollte auch nicht so behandelt werden, die Finger zeigen im Idealfall nach vorne und selbst so einfache Dinge wie Klicks müssen wohlüberlegt sein, damit sie kein Verrutschen des Cursors auslösen oder gar alles zum Kentern bringen.

Das Leap weiß entgegen einiger Annahmen auch nicht von alleine (!), welcher Finger nun welcher Finger ist, solange es keinen Kontext hat. Gesten müssen sich an der Anatomie orientieren und Belastungen der Sehnen und Muskulatur miteinbeziehen, denn die Ergonomie ist ohnehin schon suboptimal. Winzige Kreisbewegungen mit dem Finger sind eine gute Abwechslung zum Alltag, aber keine physiologische Dauerlösung für extensive Nutzung, da sind Schäden vorprogrammiert. Greifen und Werfen ist hingegen super und gar rehabilitativ für geschundene Mausarme. Auch Bewegungen mit der ganzen Schulter sind wünschenswert. Ergonomie und Nutzungserfahrung sollten also im Vordergrund von Leap-Apps stehen, wenn sie nicht völliger Schrott sein dürfen.

Ist das Leap Motion nur ein Miniatur-Kinect, das nach oben statt nach vorne zeigt?

In gewissem Sinne ist das so. Alle Limitationen des Kinect treten hier in verzerrter/rotierter Form auf, teilweise sogar noch ausgeprägter. Trotzdem ist die Präzision hervorragend und überzeugend, die Latenz (bzw. Verzögerung) viel geringer, der Spaß schon fast vorprogrammiert. Wenn man denn weiß, worauf man sich einlässt.

WEITER ZU TEIL 2: LEAP MOTION APP SCREENSHOTS UND VORAB-FAZIT


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