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Weblogit | November 18, 2024

Transplantierte Hirnzellen: Ewiges Leben?

Unsere Zellen besitzen größtenteils einen Selbstzerstörungsmechanismus. Oder Kill Switch. Oder weniger dramatisch: Ein sogenanntes Hayflick Limit. Dieses beschreibt die maximale Anzahl der Zellteilungen bis zum vollständigen Stopp.

Dr. Leonard Hayflick (daher der Name) widerlegte einst die Unsterblichkeitstheorie seines Kollegen namens Alexis Carrel, der bestimmte Zellen in Kulturen ganze 34 Jahre am Leben hielt. Außerhalb des menschlichen Organismus und innerhalb der richtigen Umgebung, würden sich diese Zellen unendlich teilen und fortan ewig überleben können, so Carrel. Hayflick sah Grund zum Anzweifeln dieser Erkenntnis, als er bei einem praktischen Experiment einige menschliche Zellen tot vorfand. Zunächst vermutete er den Fehler bei sich selbst, beispielsweise in Form eines technischen Fehlgriffs.

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Die abgestorbenen Zellen brachten ihn irgendwann auf die Idee, dass der Zellteilungsprozess einem Zählmechanimus unterliegen könnte. Gemeinsam mit seinem Kollegen namens Paul Moorhead (einem Zytogenetiker) belegte Hayflick seine Hypothese: Ältere und jüngere menschliche Zellen (Fibroblasten) wurden gemischt und mit einer Kontrollkultur ihrem Schicksal überlassen. Die Fibroblasten, die bereits vor dem Experiment die 40. Teilung erlebt hatten, starben vor den restlichen Zellen ab. Den Unterschied stellten Hayflick und sein Kollege mithilfe von verschiedengeschlechtlichen Zellen fest, die Überlebenden waren in diesem Fall weiblich. Ältere Zellen starben also früher, auch in einer Kultur. Das Zellalter wurde primär durch die Anzahl der Teilungsvorgänge bestimmt.

Das Resultat bewies die Annahmen der Hayflick Limit Theorie und etablierte sie im Feld der Biologie. Übliche menschliche Zellen aus einem Fötus teilen sich etwa 50 Mal in einer Petrischale, bevor sie den Geist aufgeben. Keimzellen, die Spermien und Eier konstituieren, sollten theoretisch kein solches Limit besitzen. Viele uns bekannte Krebszellen scheinen ebensowenig vom Hayflick Limit beeindruckt zu sein und teilen sich kontinuierlich. Nervenzellen (Neuronen) teilen sich nach der Geburt nicht mehr (wobei es da auch Ausnahmen und andere Ansichten gibt, wie beispielsweise eine sehr sehr seltene Teilungsrate die auch die geringen Fälle von Gehirnkrebs erklären würde...) und erreichen theoretisch ihren Todes-Zähler gar nicht, andere Zellen haben besonders lange Telomere und leben dadurch etwas länger.

Unterschiedliche Zellen haben also unterschiedliche Hayflick Limits (im Schnitt können wir von einem Bereich zwischen 40 und 60 Teilungen ausgehen), völlig synchron läuft in der Biologie bekanntlich nichts, überall ist ein wenig Variation drin. Variation kann auch negative Folgen für uns haben und sich in vorzeitigen Alterungssyndromen wiederspiegeln, die auch auf zu kurze Telomere zurückzuführen sind.

Besagte Variation in der Lang- oder Kurzlebigkeit von Zellen scheint auch mit dem Enzym namens Telomerase zusammenzuhängen. Die Enden eines Chromosoms heißen Telomere und werden im Prozess der Replikation immer kürzer, wenn die Telomerase nicht Reparaturarbeiten leistet. Das ist zunächst nicht schlimm, denn Telomere enthalten dieselbe Information in wiederholter Form - etwa wie ein Ringelpullover, der wiederholt stückweise gekürzt wird.

neuron-diagramm

Aufgrund ihrer endlichen Länge und den potenziell unendlich fortschreitenden Teilungen wird es dennoch irgendwann knapp und der letzte "Streifen" ist erreicht. Somit verliert die Zelle irgendwann überlebenskritische Gene und macht schlapp, da die Telomere zu kurz werden. Krebszellen schaffen es, das Gen für das Enzym wiederholt zu aktivieren und die verlorene DNA auszugleichen - in den meisten unserer Körperzellen ist das relevante Gen inaktiv. Das Telomerase-Enzym repariert also alternde Zellen und sorgt für eine längere Lebensspanne.

Lorenzo Magrassi argumentiert nun also in seinem Paper folgendes: Neuronen (Nervenzellen) in Säugetieren zeigen keine replikative Alterung und werden akut nur durch die maximale Lebensdauer des Organismus eingeschränkt, in welchem sie sich aufhalten. Durch die Transplantation von einem Stück "Maushirnvorstufe" in eine länger lebende (und sich gerade entwicklende) Wistar-Ratte konnte Frankenstein Magrassi nachweisen, dass die Zellen in der Ratte länger lebten als in der Maus. Die Lebensspanne von Neuronen kann also länger "auslaufen", wenn sich die Nervenzellen in einem langlebigen Wirt befinden. Wie lange die Nervenzellen in einer idealen Umgebung überleben könnten, lässt sich noch nicht beantworten.

Alberne Hypothese für Implikationen dieser Funde: In 50-100 Jahren sitzen unsere Gehirne in Schildkrötenkörpern, die mit dem implantierbaren Nachfolger von Google Glass im Netz unterwegs sind und First-Person-Shooter über ein neurales Interface spielen. Jetzt fragt bitte nicht nach hypothetischen Sexualpraktiken der neuen Schildkrötenherrscher.

via io9 source PNAS


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