Nintendo hat mit dem aktuellsten Teil der Reihe, New Super Mario Bros. U, endlich wieder einen richtigen Homerun gelandet.
Nachdem die erste Wii unter anderem für Shovelware (grauenhafte Massenware mit praktisch keinem Mehrwert) berühmt wurde, die Mario Galaxy Teile zwar gut aussahen, aber spielerisch recht schnell fade wurden und das Platform/Jump & Run Genre fast ausgelutscht schien, hatte ich nicht viel erwartet.
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Vielleicht ein weiteres der dutzenden Remakes, die nur 10% der Seele und des Appeals der SNES-Titel mitbrachten und selten zum tatsächlichen Durchspielen anregten.
Super Mario World auf dem SNES gilt für mich bis heute als eine, wenn nicht die, Platformer-Referenz und gegen diesen Standard messe ich alle Titel hinsichtlich ihrer Kreativität, Spielmechanik, Kollisionserkennung, Grafik, Musik, dem Leveldesign und allen weiteren beteiligten Faktoren. Ein guter Platformer sollte reichlich Abwechslung bieten, die Schwierigkeit sollte sich erträglichen bis teuflischen Bereich abspielen und die Endgegner sollten im Idealfall (da weiche ich ein wenig von der Referenz ab) den Spieler zum Querdenken anregen. Während Super Mario 64 - Mario's erste 3D-Inkarnation - das letzte Kriterium erfüllt, belaufen sich die Boss-Fights der klassischen 2D-Titel (so auch bei New Super Mario Bros. U) eher auf den rudimentären Kopfhopser.
Nintendo erzeugt nicht nur Franchises, sondern auch unsterbliche Spielkonzepte. Wir kennen alle die goldenen Münzen, Pilze, 1-UP Pilze, aber auch die blauen Münzen (die ihren ersten Auftritt ebenso auf dem Nintendo 64 hatten und effektiv die silbernen Münzen ablösten), die den Wert 5 goldener Münzen tragen. Die Musik beim unbesiegbaren Run mit einem Stern ist ebenso unvergesslich wie der ewige Widersacher Bowser, oder die Klemptneroutfits von Mario und Luigi. Ein großer Teil der Mario-Saga fand auch weiter in Item-Form seinen Weg in New Super Mario Bros. U. Neben den klassischen Pilzen treffen wir auch auf den altbekannten Schrumpf-Pilz, den Propellerhut und einen Pinguinanzug.
Die altbekannte Feder, die einst zum Flug mit dem Cape bei Super Mario World verhalf, hat im Laufe der Jahre eine Evolution durchgemacht. Als Zwischenschritt diente das "Super Leaf", das uns im dritten Teil von Super Mario Bros. in Raccoon Mario verwandelte. Anstatt der Waschbär-Metamorphose (Ein Tanooki-Suit, der jenseits jeglicher Logik und Physik mit seinem pelzigen Schwanz den Flug verlangsamen konnte) und dem mit Anlauf verbundenen Flug mit dem Cape, gleiten wir nun in Flughörnchen-Form durch die Lüfte. Neben dem normalen Flughörnchen-Anzug, der wahlweise von gegnerischen Flughörnchen (sofern sie eine Nuss mit sich führen) abgeknöpft, oder aus Kisten und Übersichtskarten ergattert werden kann, gibt es auch einen P-Acorn-Suit. Letzterer erlaubt unendlichen zusätzlichen Auftrieb mit einem der Trigger-Buttons und ist somit ziemlich mächtig, zum Glück gibt es dieses Item nur selten. Alles in allem ist die Item-Balance nämlich vorzüglich gewählt - auch die zwischendurch eingestreuten Yoshis treten in einer Frequenz auf, die den Spieler nicht abstumpfen lässt.
New Super Mario Bros. Wii? Kein Vergleich.
Natürlich steckt in jedem Mario-Teil eine ordentliche Portion der Phantasie und etwas vom Humor des legendären Shigeru Miyamoto, aber das ist nicht immer ein Garant für den kommerziellen Erfolg und die Anerkennung durch Kritiker. Der Wii-Teil von New Super Mario Bros. konnte mich entgegen der größtenteils positiven Kritik in der Gamingpresse nicht wirklich überzeugen. Allem voran ging die grauenhafte Kantenglättung, auch Antialiasing genannt. Grafik war zwar seit der 3D-Ära kein Fokuspunkt für Nintendo, aber die zackigen Konturen der Charaktere grenzten an meinem Verständnis für Kompromisse. Wenn das Produktionsteam schon keine saubere Optik bieten konnte (Super Mario Galaxy bewies immerhin, dass es selbst mit detaillierterer Spielumgebung machbar war), wofür überhaupt die Mühe für 3D-Charaktere? Traditionelle 2D-Platformer können ebenso schön aussehen und die Augen im Gegensatz zu diesem Echtzeit-Rendering-Fail schonen. So viel dazu.
Hervorragend ist übrigens das Steuer-Feeling mit dem neuen Wii U GamePad, das Spiel kann wahlweise komplett auf dem Controller oder parallel auf dem Fernseher gespielt werden und erlaubt somit auch eine gemütliche Lesesessel-Session oder Couch-Gaming ohne TV. Clever und Benutzerfreundlich ist die Doppel-Belegung der Buttons auf dem Wii U GamePad. Ihr könnt wahlweise mit A oder B Springen, mit X oder Y Objekte halten und rennen und beide Trigger wechselweise benutzen. Auch das Steuerkreuz kann statt dem Analog-Stick genutzt werden, wie es sich für ein Game mit Retro-Appeal gehört. Im Multiplayer werden die Charaktere (seltsamerweise) nur mit den Wii Remotes gesteuert, eigentlich wäre hier doch beides möglich gewesen?
Endlich auch mit Anti-Aliasing
Ist New Super Mario Bros. U deswegen ein schamloses Reimagining der Retro-Teile, oder sehen wir jenseits der wunderbar glatten und sauberen Optik weitere Verbesserungen? Der Wii U Teil sticht bereits in der ersten Spielsekunde ins Auge, denn so hätte der Wii Spinoff von Super Mario Bros. aussehen müssen. Charaktere werden mit (postprocessing) Antialiasing geglättet und sind detailliert, kunstvoll animiert und je nach Level auch in unterschiedlichen Größen zu sehen.
Spielerisch sehen wir sämtliche alten Konzepte mit neuen Twists, die schnelles Nach- und Umdenken erfordern. Ich will hier nicht allzu viel vorweg nehmen, ihr werdet jedoch positiv überrascht sein wie sorgfältig das Leveldesign durchgeführt wurde.
Vier Yoshis, dutzende Challenges
Insgesamt vier verschiedene Versionen von Yoshi sind im Spiel enthalten, aber nur die klassisch grüne Variante lässt sich satteln und reiten. Denn die restlichen drei Dinosaurier sind zu klein, es handelt sich um Baby-Yoshis - ebenso eine Hommage an die Wurzeln von Mario. In Super Mario World auf dem SNES gab es nämlich selbige Yoshis (statt Pink war einer rot, aber die Zeiten ändern sich eben) in der Sternen-Welt. Mit fünf Gegnern gefüttert, verwandelten sich diese in einen vollwertigen Yoshi mit speziellen Fähigkeiten.
New Super Mario Bros. U bleibt allerdings beim infantilen Stadium der knuffigen Viecher und bietet stattdessen an, sie vorsichtig durch die Levels zu tragen (dazu muss der Y-Button gedrückt gehalten werden) und dennoch Gebrauch von ihren Spezialfertigkeiten machen zu können. Blaue Yoshis produzieren Seifenblasen, die Gegner zu Münzen/Power-Ups verwandeln und sogar als Sprungbrett genutzt werden können. Es gibt sogar ein Level im Challenge Modus, das als Blauer-Yoshi-Bootstrapping bezeichnet werden könnte, bei welchem ihr von Blase zu Blase hüpfen und aufsteigen müsst.
Gelbe Baby-Yoshis dienen der Beleuchtung und können entweder lokal oder bildschirmweit zum Erhellen der Umgebung genutzt werden. Die pinke Variante hingegen ist aufblasbar und kann mit einem Schütteln der Wii Remote (oder einem Trigger-Button auf dem GamePad) rotiert werden, was zu begrenztem Auftrieb führt. Sämtliche Variationen der Baby-Yoshis mit verpenntem Blick können mit Gegnern gefüttert werden, verwandeln sich jedoch nie in ein vollwertiges Reittier und müssen stets festgehalten werden.
Drei Challenge-Kategorien (als Mario, Luigi, Toad oder Mii spielbar) begrüßen euch im Hauptmenü, von denen der "Herausforderungen"-Modus die meiste Abwechslung bietet. Hinter dieser übergreifenden Kategorie verstecken sich nämlich reichlich Mini-Challenges, die es absolut in sich haben. Wer diese Herausforderungen allesamt beim ersten Versuch meistert, ist vermutlich nicht organischer Natur. Die verschiedenen Unterkategorien umfassen Time-Attack-Modi, Herausforderungen zur möglichst vollständigen Sammlung von Münzen in kurzer Zeit und ein buntes Potpourri anderer kleiner Aufgaben. Steuerungskonzepte wie der "Dreisprung" und der neue Flughörnchen-Suit werden nie wirklich vorgestellt, aber zum erfolgreichen Erfüllen dieser Challenges benötigt. Auch wenn manche Challenges dutzende Tode bedeuten: Die Motivation geht dabei nicht flöten. Denn die Umstände bleiben stets fair, auch wenn es manchmal nur mikroskopische Zeitfenster zum Ausführen einer Handlung gibt und perfektes Timing gefragt ist. Zusätzlich betont ein "Boost-Modus" die Rolle des GamePads mit zwei Spielern, wo einer die Kontrolle über den Charakter übernimmt und der andere Spieler als Touchscreen-Supporter mit gut gesetzten Steinen hilft. Zusätzlich gibt es einen rasanten Modus mit variabler Geschwindigkeit (Boost Rush: je mehr Münzen ihr sammelt, desto schneller wird das Spiel) und einen Münz-Wettstreit für zwei Spieler, der an den Mario-Teil auf dem Nintendo DS erinnert.
Entgegen anderer Mario-Games sind die Challenges wirklich sehenswert und vermitteln wesentlich mehr Spaß, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. In einer Serie von Herausforderungen schwebt ihr mit dem Flughörnchen-Anzug beispielsweise über einen kompletten Levelparkours und dürft dabei kein einziges Mal den Boden berühren. Lediglich die Köpfe der Gegner dienen als temporäre Kontaktstellen mit dem Untergrund, der Trigger-Button des Wii U GamePads dient als singularer Auftrieb, der nur dem Fall auf einen gegnerischen Kopf wieder aufgeladen werden kann. Zum erfolgreichen bestehen der ersten Challenge aus dieser Serie wird erfordert, dass ihr nicht nur den Flug korrekt timed, sondern auch den Sprint-Button zwischendurch betätigt, um den Flug zu beschleunigen. Konträr zum normalen Spielablauf wird hier nämlich nicht der Y-Button (Sprint) dauerhaft gehalten, sondern die Sprung-Taste, ansonsten lässt Mario sich einfach fallen. Gemeinsam mit der Koordination des 1-Shot-Auftriebs und den sich bewegenden Gegnern kann sich hier schnell eine kniffelige Situation ergeben.
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Knackig schwer, nie unfair
Die Kollisionserkennung und Mechanik von New Super Mario Bros. U ist knackig, weniger schwammig als beim Wii-Teil und spürbar näher am Retro-Original. Auch wenn es sich hier nur um feine Nuancen handelt, da wurde spürbar etwas verändert. Es ist einfach Präzisionsarbeit, den Gegnern effektiv auf den Kopf zu springen, denn die Trefferzonen sind gnadenlos angelegt worden. Wird der Gegner nicht im richtigen Bereich getroffen, erleidet ihr eine Verletzung. Unterwasser-Level liefern die richtige Sorte Feedback und Eisflächen sind angemessen rutschig ohne übermäßig die Nerven zu strapazieren. Stirbt der Spieler in New Super Mario Bros. U, ist er wirklich selbst an seinem Verderben schuld, denn die Zahnräder von Nintendo's neuestem Platformer greifen einwandfrei ineinander.
Die Verantwortung liegt also gänzlich beim Menschen, was jede Niederlage fairer und weniger frustrierend macht. Selten habt ihr das Bedürfnis zum Himmel hinauf zu schreien, das GamePad in dieselbe Richtung zu katapultieren und entzürnt zu fragen: Wie zum Teufel soll ich das verdammte Level denn schaffen?. Falls doch, ist es eine Ausrede. Denn die Antwort lautet "Skill", junger Padawan, und das ist auch gut so. New Super Mario Bros. U erinnert uns an die Ursprünge von Video-Spielen und die Tatsache, dass Koordination und schnelle Entscheidungen/Einschätzung eine entscheidende Rolle dabei spielen sollten. Habt ihr nicht auch die Ära des "push-for-awesome" satt, durch die der schwindende und zeitlich begrenzte Konzentrationsfaktor nur noch weiter begünstigt wird?
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Grafisches Potenzial der Wii U nicht ausgereizt, who cares?
Einige Rezensenten bemängeln die verpassten Chancen, die sich in der Grafik von New Super Mario Bros. U zeigen. Auch wenn das Spiel schön anzusehen ist, wäre hier mehr drin gewesen, wenn nicht gar ein ganzer Eimer voll Eye-Candy. Hier stimme ich bedingt zu, Nintendo hat die Vorteile des eingerittenen Genres und Franchises genutzt um einen soliden Launchtitel in verhältnismäßig kurzer Zeit zu produzieren. Die Tatsache, dass wir es mit hervorragendem Leveldesign, kreativen Spiel-Konzepten und reichlich Content zu tun haben, lässt einen gewissen Kompromiss und Headroom vermuten. Erstens bin ich froh darüber, dass wir ein so großartiges Spiel direkt zum Launch erhalten und daher offen für kleinere optische Abstriche, die sich in verschenktem Potenzial äußern. Zweitens lässt dies noch genügend Platz für Steigerungen in Form von Sequels oder Third-Person-Marios. Also wenn es hier etwas zu meckern gibt, dann nur unter Vorbehalt, so meine Einschätzung.
Etwas flach ist hingegen die musikalische Untermalung. Auch wenn New Super Mario Bros. U mit klarem, sauberen Sound und einem klassischen Soundtrack daherkommt, der nicht selten ein Zwinkern zu vergangenen Zeiten beinhält, fühlt sich das akustische Erlebnis oft wie eine Fahrstuhlfahrt an. Immerhin liefert das neue Wii U GamePad einen wesentlich knackigeren Sound als das krächzen der Wii Remotes.
Fazit: Ein moderner Platformer ohne Vergleich
Von mir gibt es die volle Kaufempfehlung für New Super Mario Bros. U, egal ob ihr euch im soliden Singleplayer Modus strategisch durch die Level kämpft, oder im chaotischen Multiplayer mit bis zu 3 Freunden (oder 4, wenn einer das GamePad nutzt und als Booster mithilft) von einem Lachanfall zum nächsten spielt. Auch wenn ich mir etwas mehr Innovation bei den doch recht monotonen Endgegnern gewünscht hätte, ist das Spiel wirklich seinen Namen und das Geld wert. Die Challenges sind kein Füllmaterial, sondern zusätzliches Material mit Mehrwert und einer Menge Spaß. Es ist die nahezu perfekte Umsetzung eines zeitlosen Klassikers mit willkommenen Zusätzen. Dieser Launch-Titel ist "the real deal" und wohl der beste Platformer, den es in den letzten Jahren im 2D-Side-Scroller-Format gab.
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