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Weblogit | November 18, 2024

Leap Motion im Test: Minority Report Messias oder Fuchtelspielzeug?

Lohnt es sich, jetzt schon einzusteigen und Leap-Fanatiker zu werden?

Das ist durchaus debattierbar. Es kommen zwar rasant schnell neue Apps hinzu, aber die Qualitäten beschränken sich eher auf das Niveau von Tech-Demos und kostenlosen Android-Games zum Preis einer vollwertigen App. Zumal es noch technische Probleme gibt, wozu leider auch die grundlegende Basis für die App-Distribution steht. Auf dem Mac und auf Windows zickt diese bei vielen Usern herum und möchte entweder keine Apps installieren, ständig abstürzen oder nie mit einer App-Installation fertig werden. Von diesen Problemen sind nicht alle User betroffen, ich zähle aber dazu. Hier muss noch kräftig poliert werden.

Außerdem gab es ein Firmware-Update unter Windows, das mal eben einige Geräte zerschossen hat. Diese lassen sich mit einem Tool und etwas Glück wieder unbricken, aber das sollte definitiv ein guter Warnschuss für early Adopter mit Vorsicht und Vernunft sein. Auch wenn jetzt ein profitables App-Ökosystem um Leap Motion herum entsteht, heißt das nicht dass dieses Gerät wirklich finalen Konsumentenstatus erlangt hat. Es ist und bleibt ein experimentelles Eingabegerät für Enthusiasten, so wie die Razer Hydra.

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Was kann ich heute schon mit dem Leap Motion anstellen?

Alle Nutzungsszenarien leiten sich entweder von baufälligen Webapps im Netz ab, die eher als Prototypen gelten, oder aber eben aus dem offiziellen Store von Leap Motion, der über die Airspace Applikation Einzug auf Euer System erhält. Das heißt es gibt keine Onboard-Unterstützung für Betriebssystem-Steuerung á la Minority Report, dafür gibt es eine kostenlose App in Airspace namens Touchless, die in einem sehr frühen Stadium ist. Ich konnte Touchless leider nicht installieren, weil Airspace diesbezüglich herumsponn.

Spieleentwickler können beispielsweise mit dem Support der Unity 3D Engine einiges anfangen und verrückte Prototypen bauen. Da sehe ich momentan auch das größte Kaufargument: Wenn Ihr wirklich etwas erschaffen möchtet, legt Euch das Teil zu.

Außer Google Earth und Here gibt es außerhalb vom Store kaum Möglichkeiten, den Controller als reiner Konsument einzusetzen. Im Store findet sich ein großer Haufen mit Apps, auf die wir bald noch etwas detaillierter eingehen werden. Normalerweise sollte die Orientation-App den Einstieg bieten und die Hände des Nutzers futuristisch visualisieren. Diese stürzt aber in der aktuellen Version auf Mac OS X ab.

Mit dabei sind aber auch funktionierende Apps, beispielsweise Lotus. Bei Lotus handelt es sich um eine schöne Spielerei, die eine Fusion aus visuellen Reizen und Musik bietet. Das ist ein Stück Software zum Erforschen, Spielen und auch zum Anbieten für Gäste, die gerade ihr Bewusstsein anderweitig erweitert haben. Eindeutig. Mit den einzelnen Fingern manipulieren wir das Geschehen und sorgen für musikalische Ergüsse verschiedener Natur, so wie wir es von experimentellen Musikspielen ohne konkretes Ziel kennen. Davon gibt es insgesamt 4 Stück, die in wenigen Minuten bereits ausgiebig erforscht sind, aber eine schöne Erfahrung liefern. Besonders gut zum Einstimmen ist die vierte Installation, die dem Spieler die Steuerung von Stoffbändern per Fingerposition ermöglicht. Hier wird besonders gut klar, was man mit dem Leap Motion wirklich anstellen kann, oder wie die räumliche Tiefe idealerweise genutzt wird. Die Brücke zum 3D-Raum im Virtuellen wird mit der materiellen Welt auf eindrucksvolle Weise geschaffen.

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Cut the Rope war wenig erfüllend, hier wird lediglich der Finger als Mausersatz (oder Touch-Fingerersatz) vor dem Leap Motion Controller herumgewedelt. Ziemlich langweilig, nachdem die ersten "Ooohs" und "Aaahs" vergangen sind, denn die direkte Interaktion auf einem Touchscreen macht viel mehr Laune.

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Dasselbe gilt für Molecules, einer Molekülvisualisierung. Im ersten Moment ganz witzig, im zweiten Moment eher ermüdend, denn das lässt sich mit einer Maus und einer Tastatur erheblich präziser und einfacher steuern. Hell, sogar mit einem Gamepad und zwei Analogsticks lässt sich um ein Objekt herum schwenken, drehen und Zoomen (zumal bei Molecules ein Tilt fehlt, also ein Kippen).

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Die Flocking-Techdemo ist bereits aus der Presse bekannt: Hier wird ein Schwarm Fische von den leuchtenden Fingerspitzen angezogen, die Szene erstreckt sich weit in die Tiefen des Monitors und bis hin zum Spieler. Wird schnell mit den Fingern gezappelt, hauen die Fische während einer Farbänderung der leuchtenden Eurer Fingerspitzen ab. Hier ist wie bei Lotus ein bisschen mehr Hirnschmalz drin, was das Design angeht.

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Cyber Science 3D Motion ist eine anatomische App, die nicht nur die Namen und Positionen des menschlichen Skeletts im Kopfbereich lehrt, sondern die Dekonstruktion und Rekonstruktion im dreidimensionalen Raum als Aufgabe hat. Sehr schön umgesetzt, grafisch mehr als adäquat, leider auch etwas hakelig wenn es um das "Klicken" geht, das zum Aufheben und absetzen von Teilen nötig ist. Hier wird klar: Entweder etabliert sich bald eine sinnvolle Geste zum Klicken, oder die Tastatur wird dafür mit der zweiten Hand betätigt.

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Google Earth funktioniert erstaunlich gut Out of the Box mit dem Leap Motion Controller, hier dienen die gespreizten Finger der kompletten Hand als eine Art 3D-Trackball, mit dem ihr Schweben, Fliegen, Neigen, Rotieren und Zoomen könnt. Mit ein bisschen Übung verhält es sich mit dieser Eingabemethode sehr entspannt, auch wenn der Arm die ganze Zeit in der Luft gehalten werden muss.

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Boom Ball ist Breakout 3D mit Spezial-Items und langsamem Tempo. Der Titel ist wohl einer der grafisch poliertesten Titel im prototypendurchsetzten Airspace Store und zeigt, was mit ein bisschen Kreativität möglich ist. So wird der Finger gelegentlich zum Laser-Pointer, der Blöcke wegbröseln lässt, oder der Ball mit einem Item vergrößert.

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Ein ergonomischer und technischer Griff ins Klo: Die App der NY Times. Kleine Fingerrotationen (kleine Kreise mit dem Finger machen) für Scrollbewegungen sind zwar eine erste Idee zum Umgehen der Limitationen der Sensorik, aber in der Praxis eher nervig. Hier könnte viel von der Google Earth Steuerung abgeschaut und gelernt werden. Entgegen eines Touchscreens oder Touchpads sind dezente Neigungen und Rotationen machbar, die eine komplette Hand einbeziehen. Stattdessen setzt die NY Times App auf hakelige Gesten, die oftmals nur halb oder gar nicht erkannt werden.

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Das Vorab-Fazit:

Bis sich der Staub der Vorbestellungen und Lieferungen und ersten Bugs und Denkfehler bei den Entwicklern und fragwürdigen Angeboten im Store und Softwareproblemen mit Betriebsystemen und der Kontrollsoftware gelegt hat: Lieber erst mal abwarten.

Es ist hochgradig wahrscheinlich, dass sich um Leap Motion ein interessantes Ökosystem mit kurzer bis mittlerer Lebensdauer entwickeln wird, alleine aufgrund des günstigen Preises von unter 100€, der bei vielen eine Schmerzgrenze unterschreitet.

Aktuell ist die Tiefenkamera aber nur ein unerforschtes Werkzeug mit wenigen würdigen Anwendungen, die noch lange nicht das Potenzial ausschöpfen. Ich kann nur den Kopf schütteln, wenn ich von Schulterschmerzen und Armschmerzen in den Foren lese. Das zeigt aber gleichzeitig auch, wie wenig von den ergonomischen Anforderungen eines solchen Controllers mangels Erfahrung bei den Entwicklern umgesetzt werden kann. Eine Maus kann Leap Motion nicht ersetzen, muss es aber auch nicht. Ich könnte mir den Einsatz (BetterTouchTool auf dem Mac unterstützt es übrigens bereits, aber eher miserabel) im Alltag eher als ergonomische Ergänzung und Abwechslung für die Maushand vorstellen.

Ansonsten liegt das Potenzial vor allem in den tatsächlich dreidimensionalen Welten und Interfaces, wo Tiefe und tiefenmessbare Gesten eine Rolle spielen. Wenn das wirklich in die Designphilosophie von den meisten Leap Motion App-Produzenten eingeht, werden wir noch richtig spannende Projekte sehen.

Ich freue mich auf unkonventionelle Ideen, ergänzende Utilities für kreative Köpfe (z.b. CAD, 3D-Modellierung als Kameranavigation) und abgedrehte Spielkonzepte. Vielleicht auch auf Spiele, die sich nebenher um die geschundenen Hände kümmern, die bei uns Geeks tagtäglich auf die Tastatur einprasseln und merkwürdige Winkbewegungen mit einer Maus ausführen - denn darauf war die Evolution nicht vorbereitet, deswegen entstehen überhaupt erst Probleme mit der Ergonomie. Mit einer Tiefenkamera haben wir viel mehr Möglichkeiten, die aber auch genutzt werden müssen und zwar in einem Intervall, der für den menschlichen Körper nicht zu ungesund ist.

Wir warten mit der Notenvergabe also erst mal ab, bis sich der Staub gelegt hat. Bis dahin gibt es eine sehr zurückhaltende Empfehlung von unserer Redaktion für Bastler und Enthusiasten, oder diejenigen, die gerne mal einen Hunderter verzocken.

Hier könnt ihr es bestellen: Leap Motion Controller (Ich habe als Vorbesteller um die 86€ inkl. Steuern gezahlt, Zoll fällt nicht an)


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